Letex

Einkaufs- und Liefergenossenschaft des leder- und textilverarbeitenden Handwerks Görlitz e.G.

Geschichtliche Entwicklung von Letex

Vorstand 1911

Gegründet am Vormittag des 07.März 1861 durch die Schuhmachermeister Elsaßer, Gock, Kadelbach, Vieze, Kühn und Löwe zum Zwecke des gemeinschaftlichen Einkauf von Waren und damit zur Erzielung besserer Einkaufskonditionen bei den entsprechenden Händlern und Produzenten. Anfangs zahlte jeder Genosse 1 Taler 5 Silbergroschen als Guthaben und 1 Taler zum Reservefond der Genossenschaft.

Sie schritten sogleich zur Tat und erzielten gute Preise. Daraufhin traten bis zum Ende des Gründungsjahres 1861 21 weitere Schuhmachermeister der Genossenschaft bei. 1862 erfolgte der Beitritt zum "Allgemeinen Verband der Deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen-schaften" (Verband Schulze-Delitzsch)

Diesem Verband bzw. ihrem Nachfolger gehört unsere Genossenschaft noch heute an und ist somit eines der ältesten Mitglieder im "Mitteldeutschen Genossenschaftsverband". Die ersten fünfzig Jahre verliefen sehr erfolgreich.

Die Zeit des 1.Weltkrieges bis zur Mitte der 30'er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellten sich äußerst schwierig dar. So wurde vor allem während des 1. Weltkrieges das Material knapper und schlechter, so daß die Genossen auf Ersatzmaterial ausweichen mussten. In der nachfolgenden Inflation verringerte sich die Kaufkraft wesentlich. Das Vermögen der Genossenschaft belief sich 1923 (Warenlager und Barvermögen) auf 5.668,00 Rentenmark. Damit waren nicht genügend Eigenmittel für einen Ordentlichen Geschäftsbetrieb vorhanden. Die Genossenschaft mußte einen Kredit über 50. 000 Rentenmark aufnehmen. In den Jahren 1935 bis 1939 begann sich die Wirtschaft wieder zu erholen, das Geld zirkulierte. Die Genossenschaft gewann in dieser Zeit viele neue Mitglieder. Hierin hatte der neue Geschäftsführer Schuhmachermeister Baumann einen großen Anteil. Erleichternd wirkte die Absenkung des Genossen-schaftsanteils von 300 Mark auf 150 Mark.

Der 2. Weltkrieg wirkte sich verheerender auf die Genossenschaft aus als der 1. Weltkrieg. Die Genossenschaft konnte nur durch Erweiterung der Schäftestepperei weiterexistieren, da hier mit Kundenmaterial gearbeitet wurde.

Die Jahre nach dem 2. Weltkrieg waren durch die Bedingungen, die zunächst die sowjetischen Behörden und später die DDR-Staatsorgane vorgaben, gekennzeichnet. So erließ die sowjetische Militäradministration am 27. mai 1946 die Befehle Nr. 160 und 161. Hier wurde die Bildung der Einkaufs- und Liefergenossen-schaften (ELG) vorgeschrieben, und jeder Handwerksbetrieb hatte Mitglied einer für ihn zuständigen ELG zu sein.

Da für die Sattler und Tapezierer keine derartige Genossenschaft existierte gründete Sattlermeister Herbert Lehmann die Außenstelle der SATAP Dresden. Somit besaß Görlitz eine zweite ähnliche Genossenschaft. Die Währungsreform 1948 brachte der Genossenschaft keinen Schaden, da die Geschäftskonten 1:1 umgetauscht wurden, die Privatkonten im Gegensatz 1:10. Am 27.März 1950 wurde der durch die DDR-Staatsorgane angeordnete zwangsweise Zusammenschluß mit der Görlitzer Außenstelle der SATAP Dresden vollzogen. Der Name der Genossenschaft lautete fortan "Einkaufs- und Liefergenossenschaft des leder- und textilverarbeitenden Handwerks Görlitz". Durch den Zusammenschluß hatte die Genossenschaft im Jahre 1950 301 Mitglieder. Die Aufgaben der Genossenschaft wandelten sich in der Zeit der DDR in die Richtung, daß nicht nur die Mitgliedsbetriebe mit Material zu versorgen waren, sondern auch die staatlichen Planaufgaben durchzusetzen waren und der sozialistische Wettbewerb zu organisieren war. Am besten charakterisiert dies die Grußadresse des Rates der Stadt Görlitz zum 125jährigen Jubiläum: "Seit Gründung der DDR haben sich die Aufgaben der ELG grundlegend verändert und sind vor allem darauf gerichtet, die Perspektiven des Privaten Handwerks im Sozialismus zu sichern. Daraus ergibt sich, daß Ihre Genossenschaft die in ihr vereinigten Berufsgruppen nicht nur mit Rohstoffen versorgt, sondern die politische Verantwortung in den Mittelpunkt der Arbeit stellt."

Trotz großer Umsätze konnte sich in der DDR die Genossenschaft nicht selbst tragen. Der grund hierfür lag in der Handelsspannenteilung mit dem staatlichen Großhandel wo über 90% der Rohstoffe bezogen werden mussten. Der DDR-Staat legte die Handelsspanne auf 10% fest und die Teilung sah in der Regel ca. 7 % für den staatlichen Großhandel und ca. 3 % für die Genossenschaft vor. Um trotzdem die Betriebskosten der Genossenschaft zu decken, mussten den Handwerkern und Mitgliedsbetrieben Beschaffungsspesen zwischen 5% und 1% ihres Umsatzes berechnet werden. So wurde aus der kapitalbildenden eine kosten-deckende Wirtschaftsführung.

Anfang der 60'er Jahre wurde staatlicherseits durch die DDR eine Kreisgebietsreform durchgeführt . Aus einem Kreis entstanden 3 Kreise, die Stadt Görlitz, der Kreis Görlitz und der Kreis Niesky. Da unsere Genossenschaft in allen drei Kreisen tätig war, sollte nun staatlicherseits eine Aufspaltung in drei Genossen-schaften vollzogen werden. Dagegen konnte sich der damalige Vorstand und die Mitglieder erfolgreich wehren, so das unsere Genossenschaft überkreislich tätig war.

Weiterhin einschneidend war der Mitgliederschwund in dieser Zeit. Waren es 1950 noch 301 Mitglieder so reduzierte sich deren Zahl bis 1970 auf 73 Schuhmachermeister und 37 Sattler- und Tapeziermeister, 1980 waren sogar nur noch 60 Betriebe Mitglied in unserer Genossenschaft.

Trotz der Änderung der Politik der DDR, daß das private Handwerk zur Versorgung der Bevölkerung gebraucht wird und wieder junge Handwerksmeister sich selbstständig machen durften, ging die Mitglieder-zahl weiter zurück.

In den Wendejahren 1989/1990 wurde durch unsere Genossenschaft die Verbindung zum Zentralverband der Schuhmacherrohstoffgenossenschaften wieder hergestellt. Diesem Verband gehörten wir seit unserer Gründung weiterhin an. Unsere Lagerbestände konnten in dieser Zeit gut verkauft werden, so daß wir in der Lage waren, die Anteile unserer Mitglieder 1:1 umzuwerten. Leider setzte nach der ersten Euphorie schnell Ernüchterung ein.

Unsere jungen Mitarbeiter glaubten nicht an ein Weiterbestehen der Genossenschaft. Unsere Mitglieds-betriebe wurden vom westdeutschen Großhandel umworben. Außerdem waren alle anderen LETEX-Genossenschaften im ostsächsischen Raum bis hin nach Dresden in Auflösung begriffen. Selbst im Vor-stand und in der Revisionskommission (Begriff für Aufsichtsrat in der DDR) glaubten nur noch wenige am Fortbestehen der Genossenschaft.

Hier zeigten sich die Auswirkungen der Politik der DDR, die dem Begriff der "genossenschaftlichen Zusammenarbeit" durch ihre zwangsweise Zusammenführung der Handwerks- und Landwirtschafts-betrieben in Genossenschaften großen Schaden zufügten. Trotz der vorgenannten Dinge stimmten in der Jahreshauptversammlung am 21.04.1990 alle Mitglieder für die Weiterführung der Genossenschaft.

In den folgenden Jahren mußten neue Lieferanten gefunden werden. Auch änderte sich zunehmend der Bedarf unserer Mitgliedsbetriebe und Kunden. Viele Schuhmacherwerkstätten in unserem Einzugsgebiet schließen aus Altersgründen. Der reine Polsterbetrieb ist ebenfalls rückläufig. Unsere Umsätze erzielen wir z.Z. hauptsächlich mit den Materialien für den Fußbodenleger. Gute Umsätze werden ebenfalls mit Schaumstoffen und Federkernen erzielt. Hauptsächlich besteht unser Jahresumsatz aus vielen kleinen Einzelposten. So werden wir auch weiterhin zuverlässiger Partner für unserer Mitglieder und unserer Kunden bleiben.

Ehrentafel